Montag, 20. April 2020

Votum zur Relevanz der Gewaltenteilung

Fraktionschef Michael Zeugin äusserte sich im Kantonsrat dezidiert für die Gewaltenteilung, auch während der Krise. Denn Schäden sollen auf allen Ebenen minimiert werden.

Ich habe zu Beginn des vergangenen Wochenendes von einem aus El Salvador stammenden Studienfreund einen persönlichen Bericht über die politischen Entwicklungen in Zentral- und Südamerika während der Corona-Zeit erhalten. Er hat ein sehr düsteres Bild gezeichnet: medizinisch und wirtschaftlich.

 

Die aktuelle Krise wird seitens der politischen Führungen eiskalt dazu genutzt, die in den Verfassungen festgehaltenen Grundsätze der Gewaltenteilung ausser Kraft zu setzen, um so die eigene Herrschaft zu zementieren. Dies ist jedoch nicht nur in Südamerika der Fall. Auch in Europa haben wir es mit autoritären Kräften und der genau gleichen Agenda zu tun. Mit ähnlich grossen Sorgen schauen wir nach Ungarn und zu anderen autoritären Regimes in Europa. Die einen werden damit ihre EU-Feindlichkeit zementieren, die anderen den Klassenkampf. Doch bevor wir über andere richten, sollten wir vor der eigenen Türe kehren. Denn auch bei uns passieren grobe staatspolitische Fehler. Damit meine ich den Sündenfall, dass der Bund in der aktuellen Krise die Parlamente, und damit eine der drei Gewalten, die für eine funktionierende Demokratie unerlässlich sind, unter das Versammlungsverbot stellt. Damit wurden die Parlamentsbetriebe in der Schweiz auf allen Ebenen eingestellt. Für die einen mag dies ein Flüchtigkeitsfehler sein. Für uns Grünliberale ist dies ein verfassungswidriger Akt. Dass das Bundesamt für Justiz und das Bundesamt für Gesundheit diesbezüglich eine unterschiedliche Auffassung haben, verbessert die Situation keinesfalls. Und, dass der Bundesrat sich nicht traut, den Fehler zu beheben und klar Stellung für die Gewaltenteilung zu beziehen, schadet unserer Demokratie.

 

Wir sind uns hier im Saal alle einig, dass die Gewaltenteilung in unserer demokratischen Gesellschaftsordnung systemrelevant ist. Wir alle sind uns ebenso einig, dass ein solcher Fehler nicht passieren darf. Und wenn er doch passiert, ist es unverantwortlich, ihn nicht sofort zu beheben und Klarheit zu schaffen. Auch wenn der Bundesrat bislang in dieser Krise eine gute Falle macht, kann es nicht sein, dass die Gewaltenteilung infrage gestellt scheint, nur weil die Landesregierung niemanden vor den Kopf stossen möchte? Gerade in solchen Krisenzeiten ist eine funktionierende Gewaltenteilung grundlegend. Sie ist unser stärkster Schutz gegen autoritäre Tendenzen. Und alle die jetzt an der vordersten Front in den Spitälern, Supermärkten oder bei der Polizei Hilfe leisten, zählen darauf, dass sie nach Beendigung Ihrer Arbeit die gleichen Freiheitsrechte haben wie davor. Dies sicherzustellen ist Aufgabe der Parlamente.

 

Für den Zürcher Kantonsrat haben wir dieses Problem mit der Kantonsratssitzung vom 30. März gelöst: Wir tagen, wenn wir es für notwendig erachten. Unseren Auftrag entnehmen wir der Bundesverfassung und der Kantonsverfassung. Und es wäre widersprüchlich, wenn wir dies den Gemeindeparlamenten nicht genau gleich zugestehen würden. Konkret bedeutet dies, dass jedes Parlament das tagen will, auch tagen kann. Zum Zweiten hat die Regierung zugesichert, das verfassungswidrige Versammlungsverbot für Parlamente, beziehungsweise die verpasste Klarstellung beim Bundesrat, zu rügen.

 

Die Botschaft, die wir damit hier aussenden ist klar: 1. Die Gewaltenteilung gilt! 2. Alle Parlamente im Kanton Zürich können ab sofort wieder tagen und zwar völlig unabhängig davon, ob sie nun einen Brief an die Regierung schicken oder nicht.